Jahrestagung 2025
Im Übergang: (mehr-)sprachliche Bildung und Transformation
Am 17. und 18. März 2025 an der Universität zu Köln
Übersicht
Abstract
Sprachliches Lernen ist wie jegliche Form des Lernens ein Prozess. Ein Prozess, der individuell oder in Gruppen, gesteuert und ungesteuert erfolgt. Er ist dynamisch, aber folgt nicht immer einer klaren Progression. In Lehr-Lern-Kontexten wird er im Idealfall durch eine sprachliche Bildung begleitet, die die individuellen (mehr-)sprachlichen Ressourcen und Kompetenzen der Lernenden berücksichtigt. Aus pragmatischen Gründen wird er dabei in differenzierende Kategorien wie Sprachniveaus und Kompetenzstufen gegliedert, um Lernende Kursen, Klassenstufen oder Schulformen zuzuordnen sowie ihren Fortschritt messen zu können. Dabei bleibt der Blick oft auf die Zustände gerichtet, auf das Erreichen einer Stufe, und nicht auf die Dynamik der Entwicklung. Die eigentlich zentrale Frage für Bildung und Bildungsforschung aber lautet: Wie lässt sich der Prozess der (mehr-)sprachlichen Entwicklung durch Bildung anstoßen und systematisch begleiten? Erst dieser Blick auf die Intersections legt die sprachlichen Lernprozesse und ihre Dynamik frei, fokussiert also die Bewegung zwischen Zuständen, die Übergänge.
Die zwölfte Jahrestagung des Mercator-Instituts setzt sich zum Ziel die vielen Dazwischens der (mehr-)sprachlichen Bildung sichtbar zu machen und Transformationen auf unterschiedlichen Ebenen genauer zu beleuchten. Unter dem Titel „Im Übergang: (mehr-)sprachliche Bildung und Transformation“ widmet sie sich insbesondere folgenden Fragen zu besonders relevanten Übergängen in der heutigen Bildungslandschaft:
- Wie gelingt neuzugewanderten Schüler:innen der erfolgreiche Übergang in die Regelklasse und welche Rolle kann dabei der didaktische Einbezug ihrer mehrsprachigen Kompetenzen spielen? (Übergange nach Neuzuwanderung)
- Wie gelingt eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen Akteur:innen der verschiedenen Bildungsetappen, um (mehr-)sprachliche Bildungsprozesse nachhaltig zu gestalten? (Übergänge zwischen Bildungsetappen)
- Wie werden Schüler:innen der Sekundarstufe auf die (fach-)sprachlichen Herausforderungen in Ausbildung, Beruf und Studium vorbereitet? (Übergänge nach Abschluss der schulischen Bildung)
- Wie können Sprachdiagnostikinstrumente Potenziale der Digitalität nutzen, um Lehrkräften differenzierte Einblicke in die individuellen Sprachentwicklungsprozesse mehrsprachiger Lernender zu ermöglichen? Wie lässt sich dabei das gesamtsprachliche Repertoire der Schüler.innen berücksichtigen und davon ausgehend ein adaptives Lernen ermöglichen? (Übergänge in sprachlichen Lernprozessen)
- Wie können Lehrkräfte im Laufe ihrer Ausbildungs- und Berufsbiografie in allen drei Phasen der Lehrkräftebildung bei der systematischen Entwicklung von Sprachbildungskompetenzen konstruktiv unterstützt werden? (Übergänge zwischen Stadien der Lehrkräftebildung)
- Inwiefern findet die gesellschaftliche Transformation einer sich sprachlich diversifizierenden Bevölkerung ihre Entsprechung in den Bildungsinstitutionen? (Übergänge zwischen gesellschaftlichen Phasen)
Im Rahmen der Jahrestagung 2025 suchen wir zusammen nach Antworten auf diese und weitere Fragen zu Übergängen im Bildungssystem, diskutieren bestehende Herausforderungen und entwickeln Ideen für mögliche Lösungsansätze. Dabei verstehen wir uns selbst als lernende Institution in einem Entwicklungsprozess, offen für neue Impulse. Wir laden Sie daher herzlich zu einem gemeinsamen Denken in Prozessen ein, um im Kontext der sprachbildenden Unterrichtspraxis, Bildungsadministration und Wissenschaft neue Dynamiken zu entfachen.
Tagungsort
Haupt- und Seminargebäude
der Universität zu Köln
Albertus-Magnus-Platz
50923 Köln
Vorläufiges Programm, Montag, 17. März 2025
ab 15:30 Uhr Anmeldung MI-Jahrestagung
16:00 Uhr Beginn Jahrestagung
16:10 Uhr Grußwort(e)
16:20 Uhr Begrüßung durch MI
16:45 Uhr Keynote: Prof.in Dr. Gabriele Bellenberg, Ruhr-Universität Bochum
17:45 Uhr Schülerperspektiven
18:00 Uhr Gesprächsrunde
19:00 Uhr Musikalischer Beitrag
19:20 Uhr Empfang
(Änderungen vorbehalten)
Vorläufiges Programm, Dienstag, 18. März 2025
Ab 8:30 Uhr Anmeldung
9:00 Uhr Anmoderation
9:15 Uhr Keynote: Prof.in Dr. Katharina Brizić, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
10:15 Uhr Kaffeepause
11:00 Uhr Parallele Formate Teil I
12.30 Uhr Mittagessen
13:30 Uhr Parallele Formate Teil II
15:00 Uhr Closing Session: Rückblicke, Einblicke, Ausblicke
16:00 Uhr Ende der Veranstaltung
(Änderungen vorbehalten)
Anmeldung (ab dem 10. Januar 2025)
Parallele Formate im Detail
Symposium - Im Übergang: (mehr-)sprachliche Bildung und Transformation
Trotz einer allgemein formulierten und oft bildungspolitisch motivierten Wertschätzung für Mehrsprachigkeit bleiben Angebote zur sprachlichen Bildung sowie der Alltag in Bildungsinstitutionen mit Verweis auf die Bedeutung der Bildungssprache oft auf das Deutsche beschränkt. Die Mehrsprachigkeit der Schüler*innen wird in den seltensten Fällen systematisch aufgegriffen, stattdessen wird (migrationsbedingte) Mehrsprachigkeit häufig diskursiv als Bildungsrisiko hervorgebracht (Stošić 2017) und unterliegt in Bildungsinstitutionen Abwertungen und Normierungen (z.B. Panagiotopoulou & Putjata 2020; von Dewitz & Terhart 2018). Darüber hinaus sind sprachbezogene Normen mit institutionellen Normen verstrickt (Kämpfe et al. 2023). Für mehrsprachige Schüler*innen bedeutet das, dass sie nur einen Teil ihrer Ressourcen für Bildungs- und Lernprozesse einsetzen können und gleichzeitig Differenz- und Diskriminierungserfahrung in Bezug auf ihr sprachliches Repertoire machen. Auch in der Forschung wird Mehrsprachigkeit oder auch die ‚nicht-deutsche Familiensprache‘ von Schüler*innen oft lediglich als individuelle Voraussetzung mitgedacht. Gleichzeitig werden im Rahmen von Studien Konzepte entwickelt, wie die mehrsprachigen Ressourcen von Kindern und Jugendlichen für Bildungsprozesse fruchtbar gemacht werden können (z.B. Fürstenau et al. 2020, Bredthauer 2024). Können wir also von einem multilingual turn (vgl. Conteh & Maier 2014) sprechen? Und wenn ja, wie kann es gelingen, die Bildungsinstitutionen auf diesem Weg der Veränderung zu begleiten oder ihn zu gestalten? Ausgehend von diesen Überlegungen und Fragen möchten wir im geplanten Symposium diskutieren, wie der Übergang des monolingual geprägten Bildungssystems hin zu einem multilingualen, sprachliche Ressourcen aufgreifenden gestaltet werden kann.
Leitung: Jun.-Prof.in Dr. Nora von Dewitz, Dr.in Stefanie Bredthauer, Dr.in Yasemin Uçan
Workshop – Neuzugewanderte im Übergang: Netzwerke für gelingende Kooperationen in und zwischen Bildungsinstitutionen
Der Workshop bringt Akteur:innen aus Universität, Bildungspolitik, Schule und außerschulischer Praxis zusammen. Ziel ist es, die Rahmenbedingungen für den Übergang von schulpflichtigen Neuzugewanderten ins deutsche Schulsystem gemeinsam in den Blick zu nehmen, um zu identifizieren, was schon gut funktioniert und an welchen Stellen Weiterentwicklungspotenzial in den kooperativen Strukturen besteht. Dabei sollen Best-Practice-Beispiele gelingender Kooperationen vorgestellt und konkrete Bedarfe, die noch bestehen, identifiziert werden.
Im Rahmen des Workshops werden die folgenden Fragen behandelt: Wie lassen sich Übergänge in der sprachlichen Bildung von Kindern und Jugendlichen nach Neuzuwanderung erfolgreich gestalten? Welche Herausforderungen bestehen dabei? Wie können bestehende Kooperationsmodelle zwischen Wissenschaft, Politik und Praxis verbessert oder neu etabliert werden? Wie kann Vernetzung in Lehrerkollegien und darüber hinaus aussehen? Welche Inhalte bzw. Angebote in Lehrkräfteaus- und Weiterbildung wären noch wünschenswert, um die Kooperation zwischen Schule und außerschulischem Bereich zu optimieren?
Die Veranstaltung richtet sich an Expert:innen aus den Bereichen Bildungspraxis, Verwaltung und Wissenschaft, die aktiv an der sprachlichen Bildung neu zugewanderter Kinder und Jugendlicher mitwirken. In Impulsvorträgen und moderierten Arbeitsgruppen werden konkrete Lösungsansätze entwickelt, die die Herausforderungen in der Gestaltung von Übergängen adressieren. Ziel ist es, Wissenstransfer und Netzwerkbildung zu fördern, um sprachliche Bildungsprozesse für neu zugewanderte Kinder und Jugendliche nachhaltig zu gestalten.
Leitung: Prof.in Dr. Nicole Marx, Dr.in Judith Butterworth, Dr.in Sonja Eisenbeiß, Leonie Regina Twente
Fachgespräch – Durchgängige Sprachbildung(-sprofessionalisierung): Welche Rolle spielen Übergänge zwischen den verschiedenen Qualifizierungsphasen in der Lehrkräftebildung?
Im Diskurs über die sprachbildungsbezogene Professionalisierung von Lehrkräften wird an vielen Stellen auf die Bedeutung eines kumulativen Aufbaus von Kompetenzen verwiesen. In diesem Fachgespräch möchten wir gemeinsam mit Vertreter:innen der drei Phasen der Lehrkräftebildung diskutieren, inwiefern Übergänge zwischen den verschiedenen Phasen der Lehrkräftebildung, das Ziel eines kumulativen Aufbaus von Professionalität beeinflussen. In diesem Zusammenhang stellen sich z. B. Fragen nach der Kohärenz von Sprachbildungskonzepten, dem jeweiligen Verständnis angemessener Lerngelegenheiten oder welche Rolle jeweils Mehrsprachigkeit in der sprachlichen Bildung beigemessen wird. Als Basis für den Austausch zwischen Akteur:innen aus den drei Phasen dient unter anderem eine Sekundäranalyse eines bestehenden Korpus von (berufs-)biographischen Interviews mit Lehrkräften, welches inhaltsanalytisch mit Blick auf die Frage nach der Relevanz von beruflichen Übergängen ausgewertet wurde.
Leitung: Dr. Christoph Gantefort
Fachgespräch – Abschluss - und dann? (Sprachliche) Vorbereitung von Schüler:innen auf Ausbildung, Beruf und Studium
Das Fachgespräch zielt darauf ab, einen produktiven Diskursraum zwischen unterschiedlichen Akteur:innen des Bildungssystems zu eröffnen. Dabei sollen nicht nur die Perspektiven von Lehrkräften, Bildungsadministrator:innen und Wissen-schaftler:innen einbezogen werden, sondern ganz bewusst auch den Stimmen von Schüler:innen und Studierenden Raum gegeben werden. Im Fokus steht der Übergang von der weiterführenden Schule in Ausbildung, Studium und den Arbeitsmarkt. Beleuchtet werden soll, welche Rolle dabei (fach-)sprachliche Kompetenzen spielen und wie akademische Sprachkompetenzen durch die Schule effektiv und bedarfsorientiert angebahnt sowie durch die Universität weiter gefördert und elaboriert werden können. Welche Faktoren wirken sich in diesem Kontext empowernd und supportiv auf Lernende aus? Welche wirken eher hemmend und einschüchternd?
Ein Fokus der Diskussion liegt dabei auf der zukunftsorientierten Ausgestaltung sprachlicher Bildung zur Kompetenzentwicklung insbesondere im Rahmen der konzeptionellen Schriftlichkeit. So wird eine digitale (akademische) Textkompetenz, im Sinne eines eigenständigen, kritisch-reflektierenden Umgangs mit Technologien für das Lesen, Schreiben und Kommunizieren im digitalen Raum, nicht nur im Studium, sondern auch in zahlreichen Berufsfeldern vorausgesetzt. Welche Rolle genau spielt sie bei Möglichkeiten der Teilhabe an Bildungsangeboten sowie dem Eintritt in den qualifizierten Arbeitsmarkt und in welchen Settings erwerben Lernende diese Kompetenz? Welche Rolle spielen dabei (mehr-)sprachliche und digitale Ressourcen im Elternhaus? Wie lassen sich hier Optimierungen in der gleichberechtigten Förderung aller Lernenden etablieren, um jeder und jedem die Entfaltung ihrer Potenziale zu ermöglichen?
Diese und weitere Fragen werden in einem moderierten Fachgespräch aus verschiedenen Perspektiven auf Bildungsprozesse konstruktiv diskutiert. Dafür erhalten die Beteiligten des Fachgesprächs auf dem Podium zunächst die Möglichkeit ihre eigene Perspektive anhand kurzer Statements zu präsentieren, bevor dann eine an Leitfragen orientierte Debatte eröffnet wird, in die auch das Publikum einbezogen wird. Im Anschluss findet eine Austauschphase in Kleingruppen statt, in der vor dem Hintergrund der Podiumsdiskussion Ideen für Lösungsansätze zu aktuellen Herausforderungen der sprachlichen Bildung im Übergang von Schule in Ausbildung, Beruf und Studium entwickelt werden.
Leitung: Dr.in Ina-Maria Maahs, Dr. Till Wörfel
Workshop mit Planspiel – Kooperation und Steuerung am Übergang von Wissenschaft zu Praxis
Der interaktive Workshop im Planspielformat bietet den Teilnehmer:innen die Möglichkeit, die komplexen Kooperations- und Steuerungsprozesse beim Transfer in Zusammenarbeit wissenschaftlicher Akteur:innen mit solchen aus Praxis und Bildungsadministration zu erkunden. Das Ziel des Workshops ist es, die Prozesse im Rahmen der Bildungssteuerung sichtbar zu machen und zu reflektieren, wie diese gelingend gestaltet werden können.
Dies soll beispielhaft für die Implementierung des Startchancen Programms auf Landes- und Schulebene in einem Rollenspiel veranschaulicht werden. Die Workshop-Teilnehmer:innen übernehmen dabei die Rollen der Vertreter:innen, die im Rahmen der Bildungssteuerung eine wichtige Funktion haben – darunter Schulleitungen, Lehrkräfte, Elternvertreter:innen, Schüler:innen und Vertreter:innen der Bildungsadministration. Jede Gruppe entwickelt dabei Strategien, um ihre Interessen zu vertreten und realen Herausforderungen ihrer Rolle bei der Implementierung zu begegnen.
Das Szenario bildet eine fiktive Konferenz, auf der die Entscheidung über die Umsetzung und Teilnahme an einem neuen Bildungsprojekt gefällt wird. Jede Rolle bringt eigene Interessen und Bedingungen ein, die den Verlauf der Diskussion beeinflussen.
Neben den aktiven Teilnehmer:innen gibt es eine Beobachtungsgruppe, die die kommunikativen Aushandlungen analysiert und Rückmeldung zu den Steuerungs- und Kooperationsprozessen gibt. Am Ende des Workshops soll – unter Einbezug der eingeladenen Expert:innen – diskutiert werden, wie die Erkenntnisse solcher Simulationen in reale Bildungssteuerungsprozesse integriert werden können, damit diese gelingen. Dieser Ansatz fördert den Perspektivwechsel und ermöglicht einen tieferen Einblick in die Herausforderungen und Chancen von Übergängen der Wissenschaft zur Praxis.
Leitung: Prof. Dr. Hans-Joachim Roth, Antonia Schmidt, Sonja Sieger
Workshop – Sprachstandsdiagnosen mit Serious Games und KI: kindgerecht und kinderleicht
Sprache ist der Schlüssel zur Bildung – das gilt für alle Menschen. Je früher sich Kinder in der Landessprache ausdrücken können, desto mehr Chancen haben sie auf ihrem persönlichen Schul- und Berufsweg. Tatsächlich sind Kinder, die Deutsch nicht als Muttersprache haben, häufig benachteiligt. Dem kann in großem Stil Abhilfe geschaffen werden: Die App „Kommissar Wuschel ermittelt“ stellt spielerisch mit authentischer Sprache die sprachlichen Potentiale von vier- bis sechsjährigen Kindern fest, ohne dass die Kinder dies als (einschüchternden) Test empfinden würden und ohne Aufwand für die Erzieherinnen und Erzieher oder Lehrkräfte. Die App zeichnet die Sprache der Kinder auf, nutzt teilautomatische Transkriptionsverfahren und KI-basierte Analysemethoden, um zu ermitteln, ob die Kinder tatsächlichen Förderbedarf haben. Auf dieser Basis können prognostische Aussagen über die sprachliche Entwicklung der Kinder gemacht und passende Fördermaßnahmen entwickelt werden. Die Entwicklung des digitalen Spiels wurde im Rahmen des Ladenburger Kollegs von der Daimler und Benz Stiftung gefördert und ist von verschiedenen Pilotierungen begleitet worden. In einer empirischen Studie wird der Einsatz der App im Regelbetrieb derzeit im Saarland erprobt. Der Workshop präsentiert die erwerbslinguistischen Grundlagen, die methodischen Herausforderungen, die Funktionsweise des Serious Game und wichtige Ergebnisse und gibt Einblicke in den komplexen linguistischen und IT-technischen Unterbau dieses ansonsten kindgerechten und kinderleichten Verfahrens.
Leitung: Prof. Dr. Jörg Roche mit Prof.in Dr. Stefanie Haberzettl und Team